Category Archives: Society

“All Creatures Welcome”

Wenn man von einem Chaos Communication Congress zurückkehrt, wird man oft interessiert gefragt: Und, wie war es? Erzähl mal, um was geht es da eigentlich?

Übervoll mit Eindrücken und übermüdet trotz regelmäßigen Mate-Konsums fällt es schwer, auf Anhieb passende Worte für einen allgemein verständlichen Abriss zu finden.

Wenn auf diese Art keine Zusammenfassung möglich ist, würde man als nächstes eigentlich zum mobilen Endgeräte greifen, um zumindest die bildlichen Impressionen für sich sprechen zu lassen. Doch halt, dort wird der Grundsatz noch ernst genommen, nur Photos anzufertigen, wenn alle auf dem Bild abgebildeten Personen damit einverstanden sind. Dementsprechend leer ist die eigene Bildergalerie.

“All Creatures Welcome” von Sandra Trostel (CC-BY-NC-SA)

Seit diesem Jahr gibt es Abhilfe in Form einer 86-minütigen Dokumentation: “All Creatures Welcome” von Sandra Trostel. Sie feierte (vermutlich) beim DOK Leipzig 2018 Premiere und wurde nun offiziell – zum 35. Chaos Communication Congress (35C3) – vorgestellt und steht online unter einer CC-BY-NC-SA-Lizenz zur Verfügung. In Zukunft soll auch Rohmaterial von den begleiteten Veranstaltungen – dem 32. Chaos Communication Congress und Chaos Communication Camp 2015 – zum freien Remixen zur Verfügung gestellt werden.

Also nicht fragen. Anschauen!

Homepage: http://www.allcreatureswelcome.net/
Film (in voller Länge): media.ccc.de | vimeo.com
Soundtrack: https://fairybotorchestra.bandcamp.com/releases

Mein Blog und die DSGVO

Wer sich aus gegebenen Anlass – der 25. Mai 2018 steht kurz bevor – in der Blogosphäre auf die Suche nach Hilfestellungen zur “Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG” (kurz: Datenschutz-Grundverordnung, kürzer: DSGVO) begeben hat, stößt entweder auf Schimpftiraden gegen die Verfasser und Verabschieder dieses Gesetzestextes oder aber auf hysterische Abhandlungen, dass wir alle sterben werden. Als Konsequenz wird der Blog entweder direkt vom Netz genommen – zap und dunkel oder man findet zufällig an gleicher Stelle passende Trainings oder Musterunterlagen von vorgeblichen Experten. Gegen einen kleinen aber feinen Obolus, unkompliziert und total datenschutzfreundlich über einen amerikanischen Internet-Zahlungsdienstleister abgewickelt, können diese konsumiert werden, um in letzter Sekunde das Unheil abzuwenden.

Nachdem man einige Quellen gesichtet und sich die allgemeine Aufregung etwas gelegt hat, stößt man aber doch auf die ein oder andere hilfreiche Einführung bzw. Überblick:

Nach erster Lektüre bleibt festzuhalten:
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Die Mär von den gelesenen AGBs

2012 konstatierte die schwedische Initiative CommonTerms, dass die größte Lüge des Internets sei, die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und etwaige Datenschutzrichtlinien gelesen zu haben. Auch wenn jeder dieser Aussage zweifellos zustimmen wird, lieferte ein Konferenzbeitrag aus dem Jahr 2016 den Beweis auch nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten. 97% der Studienteilnehmer überflogen die AGBs, bei einer dem Umfang entsprechenden, mindestens zu erwartenden Lesedauer von 45-60 Minuten, in weniger als 5 Minuten. 74% akzeptierten diese ohne sie überhaupt gesehen zu haben.

Durch die (unbedachte) Bestätigung der Bedingungen werden typischerweise nicht nur die eigenen Urheberrechte an die Anbieter abgetreten, sondern man stimmt einer zumeist umfangreichen Verarbeitung und Weitergabe der persönlichen Daten zu, die bei der Nutzung anfallen. Aber wer hat schon Zeit, seitenweise AGBs zu blättern, wenn man doch nur schnell eine Information oder nur kurz die App benötigt? Es wird schon alles ok sein, man ist ja schließlich nicht der erste oder einzige Kunde …

Die nachfolgenden Initiativen versuchen, dieser – aus Nutzersicht, sehr leichtsinnigen – aus Anbietersicht, vorsätzlich irreführenden – Praxis entgegen zu wirken und dem Nutzer eine Informierte Einwilligung auf Basis strukturell und visuell aufbereiteter Nutzungsbedingungen zu ermöglichen:

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John Perry Barlow

Foto von Joi (CC-BY)

Seine “Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace” von 1996 hat den Aktivismus für den Erhalt eines freien, unabhängigen und offenen Internet mitbegründet und inspiriert auch noch heutzutage:

A Declaration of the Independence of Cyberspace

Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather.

We have no elected government, nor are we likely to have one, so I address you with no greater authority than that with which liberty itself always speaks. I declare the global social space we are building to be naturally independent of the tyrannies you seek to impose on us. You have no moral right to rule us nor do you possess any methods of enforcement we have true reason to fear.

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Leseempfehlung: Meinungsfreiheit im Zeitalter sozialer Netzwerke

Zeynep Tufekci (Wikipedia, Twitter) hat vor kurzem ein umfangreiches Essay mit dem Titel “It’s the (Democracy-Poisoning) Golden Age of Free Speech” auf Wired veröffentlicht. Eine absolute Leseempfehlung, vor allem im Kontext der aktuellen Diskussion zur Gefährdung der Meinungsfreiheit in Sozialen Netzwerken. Wer nicht den ganzen Artikel lesen will, findet nachfolgend einige wichtige Aussagen des Essays. Hoffentlich sinngemäß übersetzt und zusammengefasst, kaum aus dem Kontext gerissen und keinesfalls vollständig:

Früher konnte man unerwünschte Meinungen sehr einfach unterdrücken, indem man entweder den Urheber direkt oder den Zugang zu möglichen Verbreitungsmedien (Druck, Radio, Fernsehen) kontrollierte.

Dagegen ist heutzutage – im Zeitalter sozialer Medien – Jeder zugleich Autor, Herausgeber und Multiplikator. Es ist damit unmöglich geworden, den Inhalt auf Konformität oder auch nur Wahrheitsgehalt zu prüfen, um gegebenenfalls eine Veröffentlichung zu verhindern.

Befinden wir uns damit also im goldenen Zeitalter der Meinungsfreiheit (“Free Speech”)? Laut Tufekci nur solange man dem, was das eigene Auge (“lying eyes”) sieht, vertrauen kann.

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Netzwerkdurchsetzung

In aller Munde, tausendfach diskutiert und kritisiert, darf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz natürlich auch auf diesem Blog nicht unerwähnt bleiben. Ist es wirklich ein so großes Problem oder nicht eher der Umstand, dass der öffentliche Diskurs mittlerweile aus der Öffentlichkeit auf private Plattformen umgezogen ist?

Aus rein – trockener – juristischer Perspektive ist das kurz als NetzDG bezeichnete Gesetz nicht so schlimm, wie vielfach behauptet. Alles was unter dem Sammelbegriff Hate Speech (zum Beispiel § 185 StGB Beleidigung, § 186 StGB Üble Nachrede, § 187 StGB Verleumdung bis hin zur § 130 StGB Volksverhetzung) bereits rechtswidrig war, hat sich auch mit dem NetzDG nicht geändert. Betreiber von Internetangeboten waren bereits zuvor angehalten, rechtswidrige Inhalte zu löschen (§ 10 TMG). Das NetzDG setzt nun aber klare Fristen (plus signifikante Strafen) und nimmt damit die Betreiber kommerzieller Plattformen (sogenannter “sozialer Netzwerke”) mit mehr als 2 Millionen inländischen Nutzern in die Verantwortung, um die Weiterverbreitung (hoffentlich ausschließlich) rechtswidriger Inhalte zu unterbinden. Das eigentliche Richten über den Tatbestand (Urteil und Strafmaß) verbleibt bei der Judikativen, wie bisher.

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